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Zunehmender Standortwettbewerb:
Zürich ist gefordert!

Damit sich Zürich im härter werdenden Standortwettbewerb behaupten kann, gelte es, den Innovationsstandort zu stärken, die Steuerbelastung zu reduzieren, die Energieversorgung zu sichern, die Digitalisierung voranzutreiben und das Verhältnis zur EU zu klären. Dies ist das Fazit der Ausführungen von Regine Sauter, Direktorin der Zürcher Handelskammer und FDP-Nationalrätin, an der Generalversammlung 2022 des Zürcher Bankenverbands.

Die Ausgangslage lässt sich sehen, aber sie darf nicht genügsam machen: Dies war eine der Kernbotschaften, die Regine Sauter den rund 100 Anwesenden an der Generalversammlung des Zürcher Bankenverbands im UBS-Konferenzzentrum Grünenhof mitbrachte. Einige aktuelle Kennzahlen sind tatsächlich erfreulich. Das Schweizer BIP hat 2021 um 3,7 Prozent zugenommen – ein sattes Wachstum nach dem Corona-Einbruch im Jahr zuvor, als es um 2,5 Prozent zurückgegangen war. Vergleicht man das BIP Ende 2021 mit dem Vorkrisenniveau respektive mit dem vierten Quartal 2019, steht die Schweiz weltweit an dritter Stelle. Besser schneiden nur Schweden (+3,5 Prozent) und die USA (+3,1 Prozent) ab. Die Arbeitslosenquote ist auf einem so tiefen Niveau, dass man von Vollbeschäftigung sprechen könne, sagte Regine Sauter. Der Aussenhandel habe nach pandemiebedingten Rückschlägen wieder Fahrt aufgenommen. Auch die MEM-Industrie sei gut unterwegs – noch, wie die Referentin ausführte. Einerseits sei fraglich, wie robust die Wirtschaftslage sei angesichts der geopolitischen Krisen, der drohenden Energiemangellage und der aktuellen Unsicherheiten wie zum Beispiel bezüglich der Inflationsentwicklung. Andererseits habe die Schweiz einige konkrete Herausforderungen anzupacken. So bereite unter anderem Sorge, dass immer mehr Unternehmen mit Rekrutierungsschwierigkeiten kämpften.

Regine Sauter, Direktorin Zürcher Handelskammer und Nationalrätin

Unabhängiger werden in der Energieversorgung

Die aktuellen Themen, die den Standort Zürich und die Schweiz insgesamt herausforderten, sind für Regine Sauter unter anderem die drohende Energiemangellage, die Steuerreform der OECD sowie das Verhältnis zur EU. Die Sicherstellung der Energieversorgung sei für das ganze Land und insbesondere für die Wirtschaft eine fundamental wichtige Aufgabe. Um auf längere Sicht unabhängiger zu werden und Preisexzesse zu verhindern, wie sie aktuell zu beobachten seien, ist für Regine Sauter auf Technologieoffenheit, Innovation und marktwirtschaftliche Lösungen zu setzen. Gefragt sei etwa eine Strommarktliberalisierung, um Innovation und Wettbewerb zu fördern.

Die Steuerreform der OECD verlangt einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für multinationale Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro. Regine Sauter betonte, dass aufgrund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen im Verhältnis OECD-Schweiz auch Firmen im Kanton Zürich betroffen seien. Und sie stellte in Aussicht, dass die Zürcher Handelskammer eng mit Wirtschaftsverbänden, Unternehmen und dem Kanton zusammenarbeite, um sicherzustellen, dass die neuen Vorschriften die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts nicht beeinträchtigten.

Erste Folgen zeigten der Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU, sagte Regine Sauter. So sei die Schweiz im bedeutenden Forschungsprogramm Horizon Europe nicht mehr assoziierter Drittstaat. Blockiert seien leider auch die Abkommen bezüglich Finanzdienstleistungen und technische Handelshemmnisse sowie das Stromabkommen. Letzteres könne im Worst Case ab 2025 die Versorgungssicherheit zusätzlich gefährden.

«Swiss Made» ist nach wie vor ein Asset

Grund, um den Kopf hängen zu lassen, sieht die FDP-Nationalrätin und Direktorin der Zürcher Handelskammer aber nicht. «Bevor Sie angesichts der zahlreichen Herausforderungen depressiv werden, komme ich auf die Chancen und die Handlungsoptionen zu sprechen», sagte sie mit einem Augenzwinkern. Festzuhalten sei nämlich unter anderem, dass die Schweiz nach wie vor einer der weltweiten Innovationsführer sei und über politische Stabilität auf allen Ebenen verfüge. «Schweiz» sei auch die stärkste Marke weltweit, «Swiss Made» sei ein Asset. Die Stadt Zürich biete zudem die höchste Lebensqualität weltweit, Unternehmen profitierten von qualifizierten Arbeitskräften und Weltklasse-Universitäten.

Um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu stärken, stehen für Regine Sauter folgende Forderungen im Vordergrund, wie sie ausführte: Es gelte, den Innovationsstandort zu stärken, die Steuerbelastung zu reduzieren, die Energieversorgung zu sichern, die Digitalisierung voranzutreiben und das Verhältnis zur EU zu klären.

Viel verspricht sich Regine Sauter von einer raschen Umsetzung des Innovationsparks Zürich. Gelöst werden müsse aber auch der Innovationsstau bei KMU. Zielführend sei diesbezüglich ein Projekt der kantonalen Standortförderung, der ZKB, des KMU- und Gewerbeverbands Kanton Zürich und der Zürcher Handelskammer. Expertinnen und Experten unterstützen die KMU in diesem Projekt dabei, ihr Innovationspotenzial besser auszuschöpfen. Gerade im Bereich der Digitalisierung bestehe Nachholbedarf. Dies gelte notabene auch für den Kanton, der vorwärts machen müsse.

Bezüglich Steuerbelastung forderte die Referentin unter anderem die Senkung der Steuerprogression bei hohen und sehr hohen Einkommen und Vermögen, die Reform der Kirchensteuer für juristische Personen und den zweiten Schritt der Steuervorlage 17.

Langfristig zentral sind für Regine Sauter die Sicherstellung der Energieversorgung und die Klärung des Verhältnisses zur EU – «der bilaterale Weg muss gesichert und gegebenenfalls intensiviert werden». Punkto Stromabkommen hängen die beiden Themen zusammen – wichtig sei, die Energieversorgung dank einer Stärkung der europäischen Vernetzung zu verbessern. Allgemein sei die Energieversorgung langfristig durch einen Mantelerlass, eine marktwirtschaftliche Ausrichtung und Energieeffizienz der Unternehmen zu stärken, auch mittels Anreizen.

Einsatz für den Kanton Zürich – bald im Ständerat?

In der Fragerunde sprach Christian Bretscher, Geschäftsführer des Zürcher Bankenverbands, Regine Sauter auf ihre politischen Ambitionen an. Ende August wurde die Nationalrätin von ihrer Partei für die Ständeratswahlen 2023 nominiert – sie soll für die FDP den Sitz von Ruedi Noser verteidigen, der nicht mehr antreten wird. Was sie denn reize am Wechsel in den Ständerat, fragte Christian Bretscher. Regine Sauter sagte, Politik sei seit Kantonsschule-Zeiten ein wichtiger Teil ihres Lebens: «Ich habe früh gemerkt, dass es Themen gibt, die mich betreffen – und die ich mitgestalten kann. Das hat mich interessiert.» Sie habe dann den klassischen Werdegang absolviert über die Ortspolitik, den Kantonsrat und den Nationalrat. Der Schritt in den Ständerat reize sie, weil sie dort auch den Kanton Zürich vertreten und mitprägen könne, wie er wahrgenommen werde und was er politisch in Bern erreiche. Bei den genannten Herausforderungen und Chancen würde sie das sehr reizen, sagte sie, und fügte an: «Ich hoffe, dass es klappt.» Christian Bretscher schloss mit den Worten: «Das hoffen wir auch – wir drücken die Daumen.»

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